„Schüchtern in einer Baumwollstrickjacke hinter einer Hornbrille versteckt, steht er in der dunklen Großstadtbar und hält sich an einem Bier fest (oder ist es ein Orangensaft?). […] Er achtet auf sich, ist höflich, lieb, immer gepflegt und gewaschen, benutzt Parfums und Cremes, macht Diäten und hört wunderbar melancholische Mädchenmusik. Nur wenn er sich herüberbeugen und die junge Frau endlich ansprechen sollte, fängt sein Kopfkino an. Vielleicht möchte die junge Frau gar nicht angesprochen werden? Lieber selbst den ersten Schritt tun?“ So ähnlich beschreibt Nina Pauer die neue Männlichkeit in den (verunsicherten) „Schmerzensmännern“. Was ist passiert? Wir diskutieren über Frauenquoten, über die skandalöse Unterrepräsentation von Frauen in den Chefetagen, die hohe Missbrauchsrate bei Mädchen und über die nicht zu rechtfertigende Unterbezahlung von Frauen. Fast möchte man meinen, dass die Frau schlechthin das Gute darstellt, dem die Opferrolle zugedacht wird. Und mitunter beschleicht uns Männer das Gefühl, in der Täterrolle zu sein. Aber wer redet über die skandalöse Überrepräsentation von Jungen bei Schulversagern und von Männern in Gefängnissen, wer über die übermäßigen Todesfälle von Männern durch Kriege, gefährliche Berufe und Selbstmorde? Sind diese Dinge etwa nicht der Rede wert? Immer mehr Frauen dringen endlich in bislang versperrte Positionen vor; sie haben bessere Schul- und Studienabschlüsse, reüssieren als Müllwerkerin, Soldatin, Chefin, Ministerin oder auch als Kanzlerin – gleichzeitig wird unsere Gesellschaft dadurch zwar fairer, darüber hinaus aber nicht besser. Die Probleme unserer modernen Gesellschaft bleiben. Und wir steuern auf neue Probleme zu...
ePaper
PDF